Das Verwaltungsgericht Berlin übernimmt in bundesweiter Zuständigkeit Antragsverfahren auf Verlängerung des sog. Genesenenstatus. In einer Entscheidung vom 24.02.2022 (Az: VG 14 L 208/22) hat das Verwaltungsgericht in einem von der Kanzlei Stenz & Rogoz vertretenen Rechtsstreit dem Antrag einer Klägerin aus Oberbayern stattgegeben.
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Das Verwaltungsgericht Berlin führte auszugsweise zur Begründung aus:
I.
Über den Rechtsstreit entscheidet wegen Dringlichkeit die Vorsitzende (vgl. § 123 Abs. 2 Satz 3 in Verbindung mit § 80 Abs. 8 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).
Die Dringlichkeit rechtfertigt unter besonderer Berücksichtigung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (vgl. Artikel 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes - GG) eine sofortige Entscheidung ohne vorherige Zustellung des Antrags auf Gewährung vor-läufigen Rechtsschutzes an die Antragsgegnerin, weil die Antragstellerin nach § 2 Nr. 5 Buchst. c SchAusnahmV in Verbindung mit den „Fachliche(n) Vorgaben des RKI für COVID-19-Genesenennachweise“ des Robert Koch-Instituts - RKI - (https:// www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Genesenennachweis.html; abgerufen am 21. Februar 2022) bereits seit dem 9. Februar 2022 nicht mehr als Ge-nesene im Rechtssinne gilt, die Antragsgegnerin in Parallelverfahren bereits umfas-send Stellung genommen hat und ihr die inzwischen in zahlreichen Beschlüssen nie-dergelegte Rechtsprechung der Kammer zur Verkürzung der Dauer des Genesenen-status bekannt ist. Überdies scheint die zeitnahe Übermittlung von Empfangsbe-kenntnissen der Antragsgegnerin an das Gericht derzeit nicht sichergestellt zu sein.
II.
Der nach den §§ 88, 122 Abs. 1 VwGO sachdienlich dahin auszulegende Antrag,
im Wege der einstweiligen Anordnung festzustellen, dass § 2 Nr. 5 SchAus-nahmV auf die Antragstellerin vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache keine Anwendung findet,
ist zulässig (nachfolgend unter 1.) und begründet (nachfolgend unter 2.).
1.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung ist nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO statthaft. In der Hauptsache kann hier ein Feststellungsbegehren nach § 43 Abs. 1 VwGO verfolgt werden (vgl. zum fachgerichtlichen Rechtsschutz gegen Bundesverordnungen: BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2006 - 1 BvR 541/02 -, juris Rn. 41), so dass im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich ein korrespondierender Feststellungsantrag gestellt werden kann (vgl. BVerfG, Be-schluss vom 31. März 2020 - 1 BvR 712/20 -, juris Rn. 15 m.w.N.).
Zwischen der Antragstellerin als Normadressatin und der Antragsgegnerin als Norm-geberin besteht ein negativ feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO, nämlich eine sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm ergebende rechtliche Beziehung zwischen natürlichen und/oder juristischen Personen (vgl. Pietzcker, in Schoch/Schneider, Verwaltungs-recht, 41. Erg.-Lfg. Juli 2021, § 43 VwGO Rn. 5 ff. m.w.N.).
Ein Rechtsverhältnis unmittelbar zwischen Normgeber und Normadressat ist aller-dings nur ausnahmsweise anzunehmen. Es besteht jedoch insbesondere dann, wenn mangels administrativen Vollzugs einer Norm kein konkretes Rechtsverhältnis zwischen Normanwender und Normadressat begründet, die Rechtsbeeinträchtigung vielmehr bereits unmittelbar durch die Norm bewirkt wird und effektiver Rechtsschutz nur im Rechtsverhältnis zwischen Normgeber und Normadressat gewährt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 - 8 C 19/09 -, juris Rn. 28; BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2006, a.a.O.; OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 16. April 2021 - 1 S 43/21 -, juris Rn. 10).
Ein Rechtsverhältnis in diesem Sinne liegt hier vor, weil § 2 Nr. 4 und 5 SchAus-nahmV bundesweit einheitlich und ohne Abweichungsbefugnis für die Landesregie-rungen (vgl. § 7 Satz 1 SchAusnahmV sowie hierzu: VG Bln, Beschluss vom 20. September 2021 - 14 L 512/21 -, juris) festlegt, ob eine Person im Rechtssinne als „genesene Person“ gilt, woraus unmittelbar folgt, ob diese Person in den Genuss der an den Genesenenstatus anknüpfenden Erleichterungen und Ausnahmen von bun-des- und landesrechtlichen infektionsrechtlichen Schutzmaßnahmen kommt oder nicht.
Das Rechtsverhältnis besteht hier unmittelbar zum Normgeber, weil § 2 Nr. 5 SchAusnahmV keines erkennbaren „Vollzugsakts“ bedarf und effektiver Rechtsschutz andernfalls nicht vollumfassend gewährleistet werden könnte. Dies erscheint hinsichtlich der unmittelbar an § 2 Nr. 4 und 5 SchAusnahmV anknüpfenden bun-desweit einheitlichen Schutzmaßnahmen nach § 28b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) offensichtlich, gilt aber auch im Hinblick auf Erleichterungen bei und Ausnahmen von infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen der Landesregierungen, obgleich § 2 Nr. 4 und 5 SchAusnahmV insoweit erst in Ver-bindung mit dem jeweiligen Landesrecht Wirkung entfaltet.
Der Antrag ist hier nicht als Normerlassantrag auszulegen, weil die begehrte Rechts-position bereits mit der Feststellung der individuellen Unanwendbarkeit des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der aktuellen Fassung erlangt werden kann. Dadurch lebt nämlich die abgeänderte Norm wieder auf, denn es gibt hier keine hinreichenden Anhalts-punkte dafür, dass nach dem Willen des Verordnungsgebers die frühere Norm „auf jeden Fall“ aufgehoben werden sollte (vgl. VGH BW, Urteile vom 24. Oktober 2013 - 1 S 347/13 -, juris Rn. 45 f., und vom 18. Dezember 1992 - 5 S 173/91 -, juris Rn. 30 mit Verweis auf BVerwG, Urteil vom 10. August 1990 - 4 C 3.90 -, juris; im Ergebnis ebenso: VG Osnabrück, Beschluss vom 04. Februar 2022 - 3 B 4/22 -, juris Rn. 33; VG Ansbach, Beschluss vom 11. Februar 2022 - AN 18 S 22.00234 -, abrufbar unter: https://www.vgh.bayern.de/media/vgansbach/presse/22a00234b.pdf).
Auch würde ein gegen in dem jeweiligen Bundesland geltende Infektionsschutzmaß-nahmen gerichteter Eilantrag dem Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin nicht gerecht werden, weil sie sich ersichtlich gar nicht gegen bestimmte landesrechtliche Infektionsschutzmaßnahmen, sondern allein gegen die bundesrechtliche (Neu-)Fest-legung der Geneseneneigenschaft als solche wenden will.
Ein Rechtsverhältnis ist schließlich nach ständiger Rechtsprechung nur dann fest-stellungsfähig, wenn es hinreichend konkret und streitig ist und nicht lediglich die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage erreicht werden soll (vgl. Pietzcker, a.a.O., Rn. 17 m.w.N.). Am Vorliegen eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses bestehen hier keine durchgreifenden Zweifel.
Die Antragstellerin hat ihre individuelle Betroffenheit hinreichend dargelegt. Sie hat vorgetragen und durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass sie nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft ist, und hat durch Übermittlung ihres EU-COVID-Zertifikats glaubhaft gemacht, am 10. November 2021 mittels PCR-Tests positiv auf das Coronavirus SARS-CoV-2 getestet worden zu sein. Sie hat ferner glaubhaft gemacht, [...]
Das in der Hauptsache zu verfolgende Feststellungsbegehren ist auch nicht subsidiär (vgl. § 43 Abs. 2 VwGO), weil nicht ersichtlich ist, dass die Antragstellerin die Möglichkeit hätte, ihre Rechte anderweitig durch Gestaltungs- oder Leistungsklage zu verfolgen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 - 8 C 19/09 -, juris Rn. 40). Insbesondere besteht weder ein einfachgesetzlicher noch ein verfassungs- oder unionsrechtlicher Anspruch auf Ausstellung eines „Genesenennachweises“ (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 2. September 2021 - 14 L 512/21 -, juris Rn. 11 ff.; so auch OVG NRW, Beschluss vom 2. Dezember 2021 - 13 B 1200/21 -, juris; VG Dresden, Beschluss vom 11. Februar 2022 - 6 L 97/22 -, juris; a.A. ohne Angabe einer An-spruchsgrundlage: VG Osnabrück, Beschluss vom 4. Februar 2022 - 3 B 4/22 -, juris Rn. 13, Rn. 13).
Schließlich fehlt der Antragstellerin auch weder das nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der vorläufigen Feststellung der individuellen Unverbindlichkeit der angegriffenen Norm noch die in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis. Die verfahrensgegenständliche Änderung des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in Verbindung mit den „Fachliche(n) Vorgaben des RKI für COVID-19-Genesenennachweise“ beschneidet zuvor bestehende Erleichterungen und Ausnahmen von infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen des Bundes und der Länder in zeitlicher Hinsicht, wobei eine mögliche Verfassungs- oder Rechtswidrigkeit dieser Regelung mit einer Verletzung jedenfalls der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Artikel 2 Abs. 1 GG einherginge.
2.
Der Antrag ist auch begründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn die begehrte Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Nach § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2, § 294 der Zivilprozessordnung (ZPO) sind dabei die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs (Anordnungsanspruch) in gleicher Weise glaubhaft zu machen wie die Gründe, welche die Eilbedürftigkeit der gerichtlichen Entscheidung bedingen (Anordnungsgrund).
Dem Wesen und Zweck des Verfahrens nach § 123 Abs. 1 VwGO entsprechend kann das Gericht im Wege der einstweiligen Anordnung grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und nicht schon das gewähren, was Ziel eines entsprechenden Hauptsacheverfahrens wäre. Wird, wie hier, die Vorwegnahme der Hauptsache be-gehrt, kommt die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nur dann in Betracht, wenn ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und andernfalls schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile ent-stünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. u.a. OVG Bln-Bbg, Beschlüsse vom 17. Oktober 2017 - 3 S 84.17 - und - 3 M 105.17 -, juris Rn. 2, und vom 28. April 2017 - 3 S 23.17 u.a. -, juris Rn. 1; ferner: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 123 Rn. 13 ff. m.w.N.).
b) Vorliegend hat die Antragstellerin das Bestehen eines Anordnungsanspruchs [nachfolgend unter (1)] und eines Anordnungsgrunds [nachfolgend unter (2)] in einer die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Weise glaubhaft gemacht:
(1)
Nach der in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung ist mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in einem etwaigen Hauptsa-cheverfahren als rechtswidrig erweisen wird.
Rechtsgrundlage des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV ist § 28c Satz 1 IfSG. Danach wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung für Personen, bei denen von einer Immunisierung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 auszugehen ist oder die ein negatives Ergebnis eines Tests auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vorlegen können, Erleichterungen oder Ausnahmen von Geboten und Verbo-ten nach dem fünften Abschnitt dieses Gesetzes oder von aufgrund der Vorschriften im fünften Abschnitt dieses Gesetzes erlassenen Geboten und Verboten zu regeln.
§ 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Ausgestaltung durch die Änderungsverordnung vom 14. Januar 2022 überschreitet die Grenzen dieser gesetzlichen Ermächtigung, indem er die nach § 28c IfSG von der Bundesregierung zu regelnde Frage, bei welchen Personen von einer Immunisierung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 auszuge-hen ist, in verfassungswidriger Weise auf eine Bundesoberbehörde, nämlich das RKI, überträgt. In der Rechtsprechung ist allerdings geklärt, dass ein Normgeber im Rahmen seiner Regelungen auch auf Vorschriften anderer Normgeber und sogar auf von nichtstaat-lichen Normungsgremien geschaffene Regelwerke Bezug nehmen darf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 2016 - 1 BvL 8/10 -, juris Rn. 75; BVerwG, Urteile vom 27. Juni 2013 - 3 C 21/12 -, juris Rn. 37 ff., und vom 26. März 2015 - 5 C 9.14 -, juris Rn. 25). Zulässig dürften daneben auch Bezugnahmen auf schlichte Wissensmitteilungen ohne Normcharakter sein (vgl. betreffend die Bezugnahme auf die vom RKI veröffentlichte Sieben-Tage-Inzidenz: Bay VGH, Beschluss vom 28. Juli 2020 - 20 NE 20.1609 -, juris Rn. 43; vgl. ferner BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 -, juris, worin die entsprechende Bezugnahme in § 28b Abs. 1 Satz 2 IfSG a.F. nicht beanstandet wurde). Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung sind Verweisungen dann unproblematisch, wenn der verweisende Normgeber sich den Inhalt von Rechtsvorschriften des anderen Normgebers in der Fassung zu eigen macht, wie sie bei Erlass seiner Norm galt (statische Verweisung; vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. März 2020 - 2 BvL 5/17 -, juris Rn. 79). Verweist ein Normgeber hin-gegen auf andere Vorschriften in ihrer jeweils geltenden Fassung (dynamische Verweisung), kann dies dazu führen, dass er den Inhalt seiner Vorschriften nicht mehr in eigener Verantwortung bestimmt und damit der Entscheidung Dritter überlässt. Aller-dings sind dynamische Verweisungen nicht schlechthin ausgeschlossen, sondern nur, soweit Rechtsstaatlichkeit, Demokratiegebot und Bundesstaatlichkeit dies erfor-dern; grundrechtliche Gesetzesvorbehalte können diesen Rahmen zusätzlich einen-gen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. März 2020, a.a.O.). Für die Beantwortung der Frage, ob die einer dynamischen Verweisung von Verfassungs wegen gezogenen rechtlichen Grenzen eingehalten wurden, kommt es neben dem Sachbereich und der damit verbundenen Grundrechtsrelevanz wesentlich auf den Umfang der Verweisung an (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013, a.a.O., Rn. 42 f. m.w.N.).
Außerdem ist mit Blick auf Artikel 80 Abs. 1 Satz 4 GG zu prüfen, ob ggf. eine Wei-terübertragung der dem Verordnungsgeber erteilten Ermächtigung durch das Gesetz vorgesehen ist. Eine derartige Subdelegation liegt grundsätzlich nur dann vor, wenn auch die Befugnis zum Erlass einer Rechtsverordnung übertragen wird. Dies ist nicht der Fall, wenn der Verordnungsgeber lediglich ein Tätigwerden Dritter ermöglicht oder deren konsultative Einbindung in ein behördliches Verfahren vorsieht (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. September 2018 - 2 BvF 1/15 -, juris Rn. 208).
Die danach von Verfassungs wegen gezogenen rechtlichen Grenzen einer Verweisung werden mit § 2 Nr. 5 SchAusnahmV überschritten (so auch VG Hamburg, Be-schluss vom 14. Februar 2022 - 14 E 414/22 -, juris Rn. 33 ff.). Anders als in der zuvor geltenden Fassung wird nämlich nunmehr dem RKI – einer Fachbehörde mit im Wesentlichen beratender und beobachtender Funktion (§ 4 Abs. 2 IfSG) – die Be-fugnis übertragen, eigenständig und unmittelbar wesentliche Vorgaben zur Erlan-gung und zum Entfallen des Genesenenstatus zu machen.
Dabei handelt es sich im Ergebnis um eine in der gesetzlichen Ermächtigungsgrund-lage nicht vorgesehene und damit nach Artikel 80 Abs. 1 Satz 4 GG unzulässige Subdelegation. Allerdings wird die Befugnis zum Erlass einer Rechtsverordnung von der Verordnungsgeberin hier nicht ausdrücklich auf die Fachbehörde übertragen; der Sache nach kommt die streitgegenständliche Regelung jedoch einer Subdelegation gleich. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV verweist nicht auf ein unabhängig von der verwei-senden Norm und mit eigener rechtlicher Bedeutung (als Gesetz, Rechtsverordnung oder Verwaltungsvorschrift) bereits existierendes Regelwerk, sondern das RKI wird – wie bei einer Delegation – dadurch erst ermächtigt, entsprechende verbindliche Vor-gaben zu bestimmten Kriterien zu erarbeiten und zu veröffentlichen (so zutreffend: Wissenschaftliche Dienste des Bundestags, Ausarbeitung zur Verfassungsmäßigkeit der Regelung des Genesenennachweises durch Rechtsverordnung vom 28. Januar 2022, WD 3 – 3000 – 006/22, S. 9 f.). Der normative Charakter der vom RKI zu tref-fenden Vorgaben kommt dabei auch darin zum Ausdruck, dass die Entscheidung des RKI „unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft“ (Hervorhebung nur hier) erfolgen und somit offenbar darüber hinaus auch noch eine Abwägung durch das RKI vorgenommen werden soll. Hierin liegt auch der wesentli-che Unterschied zu dem (unproblematischen) gesetzgeberischen Verweis auf die vom RKI zu veröffentlichende Sieben-Tage-Inzidenz in § 28b Abs. 1 Satz 2 IfSG a.F., die für sich genommen eine Grundrechte nicht berührende „schlichte Wissens-mitteilung“ über das aktuelle Infektionsgeschehen darstellte (vgl. Bay VGH, Be-schluss vom 28. Juli 2020, a.a.O.).
Diese Überschreitung der rechtlichen Grenzen der Ermächtigungsgrundlage kann auch nicht deshalb als „geheilt“ angesehen werden, weil Bundestag und Bundesrat der Änderungsverordnung entsprechend § 28c Satz 3 IfSG zugestimmt haben, denn auch sie sind im Rahmen des Zustimmungserfordernisses an die verfassungsrechtli-chen Vorgaben und die Vorgaben der Ermächtigungsgrundlage gebunden (vgl. Arti-kel 20 Abs. 3 GG).
Angesichts dessen kann hier offenbleiben, ob die in § 2 Nr. 5 SchAusnahmV gewähl-te Regelungstechnik im Übrigen verfassungsmäßigen Anforderungen genügt (zwei-felnd: BVerfG, Beschluss vom 10. Februar 2022 - 1 BvR 2649/21 -, juris Rn 14) oder insbesondere gegen das rechtsstaatliche Publizitätserfordernis und das Gebot der Normenklarheit verstößt (so VG Hamburg, a.a.O., Rn. 29 ff., 38 ff.). Ob die Regelung in § 2 Nr. 5 Buchst. c SchAusnahmV darüber hinaus rechtswidrig ist, weil die zeitliche Verkürzung des Genesenenstatus auf einen Zeitraum von drei Monaten auf Grundlage der vom RKI am 3. Februar 2022 veröffentlichten ergänzten wissenschaftlichen Begründung ggf. sachlich verfehlt oder unzureichend begründet worden ist sowie – insbesondere wegen der abweichenden Behandlung von (zweifach) Geimpften – ggf. gegen Artikel 3 Abs. 1 GG verstößt, bedarf vor dem Hintergrund der un-abhängig davon, wie gezeigt, mit hoher Wahrscheinlichkeit bestehenden Verfas-sungswidrigkeit von § 2 Nr. 5 SchAusnahmV ebenfalls keiner Entscheidung (vgl. VG Hamburg, a.a.O., Rn. 17).
(2)
Die Antragstellerin hat auch das Bestehen eines Anordnungsgrunds auf eine die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigende Weise glaubhaft gemacht.
Aufgrund der mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmenden Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Vorschrift wird die Antragstellerin nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen und gebotenen vorläufigen Bewertung in grundrechtlich geschützten Positionen verletzt. Wegen des Wegfalls ihres Genesenenstatus entfallen für sie Erleichterungen und Ausnahmen von infektionsschutz-rechtlichen Maßnahmen des Bundes und der Länder, wodurch sie fortlaufend nicht gerechtfertigten (mittelbaren) Verletzungen jedenfalls ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit (vgl. Artikel 2 Abs. 1 GG) ausgesetzt ist. Die Eingriffswirkungen könnten nachträglich auch nicht mehr beseitigt werden. Dies lässt es als unzumutbar er-scheinen, die Antragstellerin auf das Abwarten einer Hauptsacheentscheidung zu verweisen (vgl. zum funktionalen Zusammenhang zwischen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund etwa: Schoch, in Schoch/Schneider, VwGO, 41. Erg.-Lfg. Juli 2021, § 123 Rn. 77, 83).
III.
Das Gericht hält es für geboten, die individuelle Weitergeltung der Vorgängervorschrift für die Antragstellerin im Tenor ausdrücklich klarzustellen (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 938 Abs. 1 der Zivilprozessordnung).
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Verfahrensgegenstands beruht auf § 63 Abs. 2 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes. Das Gericht setzt den Auf wegen der hier begehrten Vorwegnahme der Hauptsache in voller Hö-he an (vgl. Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ-Beilage 2013, 57, Punkt 1.5 Satz 2).