Das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach hat mit Beschluss vom 10.03.2022 (Az.: AN 18 E 22.00650) in einem von der Kanzlei Stenz & Rogoz betreuten Verfahren der Antragstellerin - einer Pflegekraft - den Genesenenstatus auf 6 Monate verlängert.
§ 2 Nr. 5 SchAusnahmV hält das Verwaltungsgericht bei summarischer Prüfung für verfassungswidrig, so dass der auf Grundlage des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV, gültig ab 9. Mai 2021 bis 14. Januar 2022, erteilte Genesenennachweis der Antragstellerin wie erteilt weitergilt bzw. inhaltlich weiter richtig ist.
Dies begründet das Gericht wie folgt:
"Aufgrund des dynamischen Verweises auf die Internetseite des Robert Koch-Instituts im Hin-blick auf die Anforderungen an einen Genesenennachweis, insbesondere zur Festlegung dessen Dauer, erweist sich § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 bei summarischer Prüfung jedenfalls aus folgenden Gründen als verfassungswidrig (so auch BayVGH, B.v. 3.3.2022 - 20 CE 22.536; VG Osnabrück, B.v. 4.2.2022 – 3 B 4/22 – juris; VG Greifswald, B.v. 3.3.2022 – 4 B 171/22 HGW – juris; VG Schwerin, B.v. 28.2.2022 – 7 B 177/22 SN – juris; VG Gießen, B.v. 25.2.2022 – 10 L 271/22.GI – juris; VG Gera, B.v. 25.2.2022 – 3 E 129/22 Ge – juris; VG Schwerin, B.v. 24.2.2022 – 7 B 190/22 SN – juris; VG Frankfurt, B.v. 22.2.2022 – 5 L 363/22.F – juris; VG Hannover, B.v. 22.2.2022 – 15 B 615/22 – juris; VG München, B.v. 22.2.2022 – M 26a E 22.662, M 26a E 22.663, M 26b E 22.730; vgl. zu festgestellten Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit in Folge dynamischer Verweisung auf eine Internetseite BVerfG, B.v. 10.2.2022 – 1 BvR 2649/21 Rn. 14, abrufbar unter https://www.bundesverfassungsge-richt.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2022/02/rs20220210_1bvr264921.html)
So verstößt § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage gegen den Wesentlichkeitsgrundsatz des Art. 20 Abs. 3 GG insoweit, als aufgrund des Verweises auf die entsprechenden Vorgaben des Robert Koch-Instituts auf dessen Internetseite nicht durch den Verordnungsgeber selbst die nötige Regelung ge-troffen wird, sondern die Festlegung faktisch durch eine Behörde erfolgt, die selbst nicht Normgeber sein kann. Nach dem Grundsatz der Wesentlichkeit als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips, Art. 20 Abs. 3 GG, hat der Gesetzgeber alle wesentlichen Entscheidungen in grundrechts-sensiblen Bereichen selbst zu treffen und kann diese nicht durch eine pauschale gesetzliche Er-mächtigungsregelung auf die Exekutive delegieren. Dabei umfasst der Wesentlichkeitsgrundsatz nicht nur die Reichweite des Gesetzesvorbehalts, sondern auch seine inhaltlichen Anforderungen (vgl. Grzeszick in Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 95. EL
Juli 2021, Art. 20 Rn. 106; Huster/Rux in BeckOK, Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 49. Edition Stand: 15.11.2021, Art. 20 Rn. 179). § 2 Nr. 5 SchAusnahmV regelt die Anforderungen an einen Genesenennachweis. Hierdurch wird zumindest mittelbar grundlegend in die Grundrechte der von dieser Regelung betroffenen Personen eingegriffen, da ein Genesenennachweis im Rahmen der sogenannten 2G-Maßnahmen, wie sie auch in der 15. BayIfSMV zu finden sind (vgl. oben), für die Teilhabe am öffentlichen Leben neben einer Impfung derzeit Voraussetzung ist. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 legt jedoch – im Gegensatz zu der vorangegangenen Fassung, welche ab 9. Mai 2021 bis 14. Januar 2022 gültig war – keine Kriterien für das Bestehen einer Immunisierung und deren Dauer fest. Vielmehr wird hierfür auf eine Internetseite des Robert Koch-Instituts verwiesen. Dies stellt bei summarischer Prüfung des Gerichts eine unzulässige Delegation auf eine hierfür nicht zuständige Behörde dar. Der Verordnungsgeber hätte vielmehr – wie in der Vorgängerregelung – die für die Anforderungen an einen Genesenennachweis erforderlichen Regelungen selbst in der Verordnung treffen müssen.
Darüber hinaus verstößt die Regelung des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Ja-nuar 2022 aufgrund des dynamischen Verweises auf die Internetseite des Robert Koch-Instituts bei summarischer Prüfung auch gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Bestimmtheit und Normenklarheit als Teil des Rechtsstaatsgebotes, Art. 20 Abs. 3 GG. Erforderlich ist da-nach, dass der Betroffene die Rechtslage anhand der gesetzlichen Regelung in einer Weise er-kennen kann, dass er sein Verhalten danach auszurichten vermag. Die Anforderungen an die Bestimmtheit und Klarheit der Norm erhöhen sich, wenn die Unsicherheit bei der Beurteilung der Gesetzeslage die Betätigung von Grundrechten erschwert (so BVerfG, B.v. 3.3.2004 – 1 BvF 3/92 – juris Rn.103). Da § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 selbst keine eigene Regelung mehr dazu beinhaltet, wann ein Genesenenstatus vorliegt, sondern hierzu lediglich auf die Internetseite des Robert Koch-Instituts verweist, werden diese Anforderungen unter Berücksichtigung der erheblichen Grundrechtssensibilität der Regelung nicht erfüllt. Durch die bloße Verweisung auf eine Internetseite kann der von der Regelung Betroffene die Rechtslage anhand dieser gesetzlichen Regelung nicht mehr derart erkennen, dass es ihm möglich ist, sein Verhalten danach auszurichten. Wie bereits ausgeführt hat der Status als Genesener und damit folglich das Vorliegen eines gültigen Genesenennachweises allerdings entscheidende Auswirkungen im Hinblick auf die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben (vgl. bereits oben). Zwar kann sich der Betroffene durch Aufruf der Internetseite des Robert Koch-Insti-tuts über die aktuell für einen Genesennachweis geltenden Anforderungen informieren. Hier wirkt sich jedoch durchgreifend aus, dass sich der Inhalt einer Internetseite – im Gegensatz zu Normen – jederzeit ändern kann; dies ohne ein Rechtssetzungsverfahren. Daher lässt sich die hier vorliegende Konstellation der Verweisung auf eine Internetseite nicht mit einer dynamischen Verweisung auf Normen einer anderen Normsetzungsinstanz (vgl. hierzu Huster/Rux in BeckOK, Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 49. Edition Stand: 15.11.2021, Art. 20 Rn. 183) ver-gleichen. Darüber hinaus muss der Betroffene ständig überprüfen, ob die Internetseite auch weiterhin denselben Inhalt aufweist, um über die Rechtslage informiert zu bleiben und folglich nachvollziehen zu können, ob er den Anforderungen an den 2G-Status entspricht. Betroffen von dieser Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes sind zudem auch die für die Einhaltung der 2G-Maßnahmen verantwortlichen Stellen und Personen, die bei Verstößen gemäß § 14 Nr. 3 15. BayIfSMV ordnungswidrig handeln.
Nach alledem erweist sich § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der derzeit gültigen Fassung vom 14. Ja-nuar 2022 bei summarischer Prüfung als verfassungswidrig, so dass vorliegend in Bezug auf die Antragstellerin der auf Grundlage des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV, gültig ab 9. Mai 2021 bis 14. Januar 2022, erteilte Genesenennachweis weiter wie erteilt, d.h. mit einer Dauer von 180 Tagen gilt."