Mit Urteil vom 19.04.2023 (Aktenzeichen: 13 U 82/22) hat das OLG Frankfurt klargestellt, dass jemand, der als Freundschaftsdienst mit Kryptowerten für einen anderen handelte nicht für spekulative Verluste haftet. Der Kläger konnte keine Pflichtverletzung nachweisen, da er dem Beklagten große Entscheidungsfreiheit eingeräumt hatte. Die Klage wurde vollständig abgewiesen.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die seinerzeit eng befreundeten Parteien vereinbarten im Jahr 2017, dass der Beklagte, der sowohl über Erfahrung bei der Anlage in Krypto-Währungen als auch über das hierfür erforderliche technische Knowhow und verfügte, den Kläger, welcher über keine diesbezüglichen Kenntnisse und Erfahrungen verfügte, bei der Investition von Ersparnissen des Klägers in Krypto-Währungen unterstützen sollte.
Zu diesem Zweck überwies der Kläger im August und September 2017 insgesamt 84.061,00 € auf ein für ihn vom Beklagten angelegtes sogenanntes W Konto bzw. auf das Girokonto des Beklagten, welcher die Beträge dann auf sein sogenanntes X Konto, von dem, im Gegensatz zu einem W Konto, eine einmal erworbene Krypto-Währung in eine andere Krypto-Währung umgewechselt werden kann, einzahlte. Über die „Exchange-Plattform“ erwarb der Beklagte für den Kläger im August und September 2017 teilweise Ethereum und teilweise Bitcoin Anteile. Nach Überweisung der beiden Krypto-Währungen auf das Konto des Beklagten bei der Plattform „www.(…).com“ wechselte der Beklagte für den Kläger auch die zunächst erworbenen Bitcoins in Ethereum um, so dass sich auf der Grundlage des insgesamt vom Kläger an den Beklagten überwiesenen Betrages in Höhe von 84.061,00 € am 3.10.2017 insgesamt 309,01954785 Ethereum auf dem X Konto des Beklagten befanden, welche aus den Mitteln des Klägers stammten.
Im November 2017 wechselte der Beklagte einen Teil des Ethereums in Bitcoin um, da er auf deren Werterhöhung spekulierte, die jedoch ausblieb, so dass – bei einem gleichzeitigen Anstieg der Ethereum im Wert – der Beklagte die in Bitcoin gewechselten Ethereum Anteile – auf Grund eines gleichzeitigen Kursanstiegs von Ethereum – nicht mehr in voller Höhe bei dem „Rückwechsel“ von Bitcoin zurück zu Ethereum erhielt.
Am 1.2.2018 übertrug der Beklagte auf Aufforderung des Klägers von seinem X Konto 102,50048 Ethereum auf das Konto des Klägers.
Den Differenzbetrag in Höhe von 116,519018 Ethereum macht der Kläger mit seiner Klage geltend und begehrt deren Übertragung an seine im Klageantrag angegebene Adresse.
Der Kläger hat behauptet, dass der Beklagte zu der im November 2017 vorgenommenen Umwechselung von Ethereum in Bitcoin nicht berechtigt gewesen sei. Er habe keine Befugnis gehabt, „irgendetwas selbständig zu machen“. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass der Beklagte ihm zum Ersatz des entgangenen Gewinns in Höhe der Differenz zwischen dem zwischenzeitlich bestehenden Ethereum Kontostand (309,01954785 und dem rückübertragenen Ethereum in Höhe von 192,50048) mithin auf 116,519018 Ethereum verpflichtet sei.
Erstinstanzliches Urteil (LG Darmstadt):
Das Landgericht Darmstadt gab der Klage weitgehend statt. Es sah den Umtausch durch den Beklagten als eigenmächtiges Handeln an, das dem mutmaßlichen Willen des Klägers widersprochen habe. Da die Investition risikoreich war, sei eine Zustimmung des Klägers erforderlich gewesen. Da dies nicht der Fall war, sei dem Kläger ein Schaden entstanden, für den der Beklagte nach § 687 Abs. 2 BGB haften müsse.
Berufungsentscheidung des OLG Frankfurt
Das Oberlandesgericht Frankfurt hob das Urteil des Landgerichts vollständig auf und wies die Klage ab. Es stellte fest, dass der Beklagte nicht für den Verlust hafte. Entscheidende Punkte waren:
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Fehlende Anspruchsgrundlage für Schadensersatz
- Der Beklagte handelte im Rahmen eines Gefälligkeitsverhältnisses ohne wirtschaftlichen Vorteil für sich selbst. Ein Rechtbindungswille, der für eine Verpflichtung zur Schadensersatzzahlung erforderlich wäre, konnte nicht nachgewiesen werden.
- Es lag keine unerlaubte Handlung im Sinne des § 823 BGB vor, da Kryptowährungen keine Sachen sind und daher kein deliktischer Eigentumsschutz besteht.
- Ein Anspruch nach § 687 Abs. 2 BGB scheiterte daran, dass der Beklagte kein eigennütziges Handeln zeigte.
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Freie Hand des Beklagten bei Investitionen
- Der Kläger hatte dem Beklagten keine klaren Vorgaben gemacht und ihm nachweislich „freie Hand“ bei der Investition gelassen.
- Die Umwandlung von Ethereum in Bitcoin war nicht erkennbar gegen den mutmaßlichen Willen des Klägers, da dieser auf Gewinne spekulierte und keine spezifische Anweisung zur Haltestrategie gab.
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Spekulativer Schadensersatzanspruch nicht begründet
- Der Kläger hatte durch das Investment bereits hohe Gewinne erzielt, da sich der Ethereum-Wert vervierfacht hatte.
- Der Schaden war spekulativ, da die Kursschwankungen nicht vorhersehbar waren.
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Keine Vertrauenshaftung des Beklagten
- Eine Expertenhaftung nach § 311 Abs. 3 BGB wurde abgelehnt, da der Beklagte lediglich eine Gefälligkeit erbrachte.