Berufsunfähig wegen Chronischem Fatigue Syndrom

Mit nunmehr veröffentlichtem Urteil vom 13.09.2023 (Az.: 20 U 371/22) hat das Oberlandesgericht Hamm die Berufsunfähigkeit einer Grundschullehrerin anerkannt, die geltend gemacht hat, am Chronischen Fatigue Syndrom (CFS) erkrankt zu sein. 

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

 

Der Lehrerin wurde im Jahr 2016/2017 mehrere Monate arbeitsunfähig geschrieben.  Es schloss sich ein gescheiterter Versuch der beruflichen Wiedereingliederung an. Ab August 2017 war die Klägerin nach ärztlicher Bescheinigung erneut durchgehend arbeitsunfähig erkrankt, bis sie durch Bescheid der Bezirksregierung von Dezember 2017 aufgrund der Ergebnisse einer amtsärztlichen Untersuchung vom 11.10.2017 mit dem Ablauf des 31.12.2017 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt wurde. Eine Untersuchung der Klägerin am 26.10.2017 ergab als Diagnose ein Chronisches Fatigue Syndrom. Mit Bescheid vom 21.10.2021 wurde die fortgesetzte Dienstunfähigkeit der Klägerin festgestellt. Seit dem 16.05.2022 ist ein Grad der Behinderung von 50 anerkannt.

 

Bereits in der 1. Instanz vor dem Landgericht obsiegte die Klägerin: 

 

Das Landgericht Detmold hatte bereits festgestellt, dass die Klägerin seit April 2016 an einem Chronischen Fatigue-Syndrom und damit einhergehend unter einer anhaltenden, bleiernen, extremen und starken Müdigkeit sowie extremer Erschöpfung und Abgeschlagenheit leide. Deshalb könne sie nicht mehr als Grundschullehrerin arbeiten. Die Anforderungen dieses Berufes seien allgemein bekannt. Daher habe über die Angaben der Klägerin zu ihrem Berufsbild kein Beweis erhoben werden müssen. Die Erkrankung der Klägerin stehe fest, obwohl es an objektivierbaren Beschwerdebildern fehle. Der Sachverständige habe dargelegt, dass in den hierzu entwickelten psychologischen Testverfahren das Beschwerdebild objektiviert werden könne. Die Klägerin habe in den Testungen hochpathologische Ergebnisse erzielt, was ihre Krankheit belege, auch wenn sie im klinisch-neurologischen Befund unauffällig sei. Eine Somatisierung und eine Aggravation seien ausgeschlossen. Eine Berufsunfähigkeit spätestens ab dem 10.05.2016 habe der Sachverständige überzeugend dargelegt, weil er hierzu auf die von der Klägerin beklagten Kopfschmerzen neuer Qualität sowie Unwohlsein und Verschlechterung des Allgemeinzustandes im April 2016 verwiesen habe.

 

Die Versicherung gab sich damit nicht zufrieden:

 

Sie rügte mit ihrer Berufung, dass das Landgericht keinen Beweis über die bestrittene Tätigkeitsbeschreibung der Klägerin erhoben habe. Auch die Feststellungen zur Erkrankung seien nicht hinreichend belegt. Das Landgericht habe die Ausführungen des Sachverständigen nur „sklavisch“ übernommen, aber nicht gewürdigt. Der Sachverständige habe lediglich auf die psychologischen Testverfahren und nicht auf den klinischen Befund abgestellt. Die Angaben eines Probanden in den Testverfahren seien aber nicht objektiv, sondern von den subjektiven Wünschen der Testperson geprägt. Es sei auch widersprüchlich, wenn die Klägerin in den Testungen pathologische Werte zeige, im klinischen Befund aber unauffällig sei. 

Das Oberlandesgericht bestätigte das Urteil des Landgerichts:

Der Sachverständige, ein Facharzt für Neurologie an einer Uni-Klinik, hat in seinem Gutachten gestützt auf eine Untersuchung der Klägerin und durchgeführte neuropsychologische Zusatzuntersuchung bei der Klägerin ein Chronisches Fatigue Syndrom, möglichweise ausgelöst durch eine Borreliose, diagnostiziert.

Diese Ergebnisse hat der Sachverständige nach Ansicht des Oberlandesgerichts auf die Angaben der Klägerin zu ihrer gesundheitlichen Entwicklung und die durchgeführte neuropsychologische Untersuchung gestützt. Die testpsychologische Untersuchung hat erhebliche kognitive Beeinträchtigungen gezeigt. Insbesondere hat der Sachverständige beschrieben, dass ein Merkfähigkeitstest VLMT gerade bei einer zeitlichen Verzögerung erhebliche Auffälligkeiten zeigte. Das bedeutet, dass das Kurzzeitgedächtnis erheblich beeinträchtigt ist. Auch die visuell-räumliche Merkspanne und das Arbeitsgedächtnis insgesamt zeigten sich erheblich eingeschränkt. Die kognitiven Beeinträchtigungen seien ausgeprägter gewesen, als sie noch bei der testpsychologischen Zusatzbegutachtung im Jahr 2018 zutage getreten seien. Der Sachverständige hat eine weitergehende Diagnostik auf Borreliose empfohlen, aber sogleich darauf hingewiesen, dass unabhängig von den Ursachen das chronische Fatigue Syndrom bei der Klägerin „stark ausgeprägt“ sei und sie ihrem Beruf als Grundschullehrerin nicht mehr nachkommen könne.

In der mündlichen Erläuterung des Gutachtens vor dem Oberlandesgericht hat der Sachverständige, an dessen Fachkunde und Erfahrung das Gericht ausdrücklich keinerlei Zweifel hat, das noch einmal eindrücklich und überzeugend verdeutlicht. Wegen der Störung des Kurzeitgedächtnisses, der reduzierten Aufmerksamkeit, der Probleme bei der Strategiebildung und der erhöhten Erschöpfbarkeit könne die Klägerin nicht einmal eine einzige vollständige Schulstunde durchhalten.

 

Chronisches Fatigue-Syndrom (CFS):

Das Chronische Fatigue-Syndrom (CFS) ist eine komplexe und oft schwer zu verstehende Erkrankung. Es zeichnet sich durch anhaltende, überwältigende Müdigkeit aus, die nicht durch Ruhe gelindert wird. Betroffene erleben oft kognitive Beeinträchtigungen, Schlafstörungen und Muskelschmerzen. Die genaue Ursache ist unbekannt, was die Diagnose erschwert. CFS kann das tägliche Leben erheblich beeinträchtigen und ist oft von anderen Symptomen wie Kopfschmerzen, Gelenkschmerzen und einem allgemeinen Gefühl der Erschöpfung begleitet. Die langanhaltende Natur der Erkrankung macht sie herausfordernd, und es gibt noch viele Fragen bezüglich ihrer Entstehung und optimalen Behandlung.

 

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