Dieselaffäre: Schadensersatz für Mercedes Benz C 220d

Der Bundesgerichtshof hebt ein klageabweisendes Urteil auf und verweist den Rechtsstreit zurück an das Oberlandesgericht Stuttgart. Dieses muss nun prüfen, ob der Besitzer eines im Jahr 2017 gebraucht gekauften Mercedes Benz C 220 d, der mit einem Motor der Baureihe OM 651 ausgerüstet ist und teilweise über ein Darlehen der Mercedes-Benz Bank AG finanziert war,  über eine unzulässigen Abschalteinrichtung verfügt (BGH-Urteil vom 26. Juni 2023, Aktenzeichen: VIa ZR 1031/22 ).

Die wichtigsten Eckpunkte der Entscheidung:

  • Die Höhe des Schadensersatzes ist vom Richter zu schätzen. Hierzu führt der BGH aus: 

 "Nach § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat der Tatrichter die Höhe des Schadens unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu schätzen. Mit der Einräumung der Befugnis der Schadensschätzung nimmt das Gesetz in Kauf, dass das Ergebnis der Schätzung die Wirklichkeit nicht vollständig abbildet, solange sie nur möglichst nahe an diese heranführt. Dabei unterliegt die Schadensschätzung, die der Tatrichter nach freiem Ermessen vorzunehmen hat, nur einer beschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Revisionsrechtlich überprüfbar ist lediglich, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat. Der Tatrichter muss bei der Ausübung seines Ermessens alle wesentlichen Gesichtspunkte, die Erfahrungssätze und die Denkgesetze beachtet haben."

  • Der Richter muss sich aber aus europarechtlichen Gründen innerhalb einer Bandbreite zwischen 5 % und 15 % des gezahlten Kaufpreises halten. Dies bedeutet, dass es auch im Falle eines finanzierten oder geleasten Pkw ausschließlich um den zugrundeliegenden Kaufpreis als Messgröße geht. Hierzu führt der BGH aus:

"Die Schätzung des Differenzschadens unterliegt in den Fällen des Vertrauens eines Käufers auf die Richtigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung bei Erwerb eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Kraftfahrzeugs unionsrechtlichen Vorgaben. Denn der Gerichtshof hat festgehalten, dass die vorzusehenden Sanktionen nach Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG und Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen und dass nationale Vorschriften dem Käufer die Erlangung eines angemessenen Schadensersatzes nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (EuGH, Urteil vom 21. März 2023 - C-100/21, NJW 2023, 1111 Rn. 90 und 93). Daraus ergeben sich Vorgaben des Unionsrechts für die Anwendung des nationalen Rechts sowohl in Bezug auf die Untergrenze als auch auf die Obergrenze des nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu gewährenden Schadensersatzes, die das Schätzungsermessen innerhalb einer Bandbreite zwischen 5% und 15% des gezahlten Kaufpreises rechtlich begrenzen. Der geschätzte Schaden kann aus Gründen unionsrechtlicher Effektivität nicht geringer sein als 5 % des gezahlten Kaufpreises. Anderenfalls wäre die Sanktionierung eines auch bloß fahrlässigen Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 im Hinblick auf die Förderung der unionsrechtlichen Ziele wegen ihrer Geringfügigkeit nicht hinreichend wirksam. Die Schadensschätzung muss zu einer auch der Höhe nach für den Fahrzeughersteller fühlbaren Sanktion führen. Fühlbar in diesem Sinne ist die Sanktion allerdings nicht erst dann, wenn der zuerkannte Schadensersatz für sich betrachtet geeignet ist, eine Verhaltensänderung zu bewirken. Das wäre mit Blick auf den Umfang der Geschäftstätigkeit der Hersteller einerseits und den in einem einzelnen Fall maximal in Frage kommenden Schadensbetrag andererseits kaum zu erreichen. Vielmehr genügt es, wenn einerseits jede Sanktion für sich betrachtet gemessen an dem mit dem Rechtsgeschäft verbundenen Ertrag des Herstellers mit einer nicht ganz unerheblichen Einbuße verbunden ist und andererseits die Sanktionen wegen einer Vielzahl von Rechtsverstößen in ihrer Gesamtheit eine Verhaltensänderung im Sinne der Einhaltung aller Rechtsakte bewirken können. Das ist bei einer unteren Bemessungsgrenze des Schadensersatzes auf 5 % des gezahlten Kaufpreises der Fall. Ein allein nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV und nicht auch nach §§ 826, 31 BGB geschuldeter Schadensersatz kann umgekehrt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht höher sein als 15 % des gezahlten Kaufpreises. Die Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV umfasst Fälle objektiv vergleichsweise geringfügiger Rechtsverstöße, die der Gesetzgeber lediglich als Ordnungswidrigkeit eingeordnet hat. Hinzu kommt, dass die Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV den Fahrzeughersteller bezogen auf ein einzelnes Kraftfahrzeug im Falle der mehrfachen Veräußerung mehrfach trifft, so dass ein Kumulierungseffekt eintreten kann. Denn die Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB trifft den Fahrzeughersteller auch in anderen Fällen als denjenigen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung nicht nur im Verhältnis zum Neuwagenkäufer, sondern im Verhältnis zu jedem späteren Käufer des Kraftfahrzeugs als Gebrauchtwagen.

  • Bei der Schätzung des Schadens innerhalb eines Rahmens zwischen 5 % und 15 % hat der Tatrichter mit der Verwendung einer unzulässigen verbundenen Nachteile, insbesondere das Risiko behördlicher Anordnungen zu berücksichtigen. 

Weiter hat er den Umfang in Betracht kommender Betriebsbeschränkungen und die Eintrittswahrscheinlichkeit solcher Beschränkungen mit Rücksicht auf die Einzelfallumstände in den Blick zu nehmen. Maßgebend ist dabei eine auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezogene Betrachtung. Er hat auch das Gewicht des der Haftung zugrundeliegenden konkreten Rechtsverstoßes für das unionsrechtliche Ziel der Einhaltung gewisser Emissionsgrenzwerte sowie den Grad des Verschuldens nach Maßgabe der Umstände des zu beurteilenden Einzelfalls zu bewerten, um so dem Gebot einer verhältnismäßigen Sanktionierung auch bezogen auf den zu würdigenden Einzelfall Rechnung zu tragen.

  • Zur Einholung eines Sachverständigengutachtens ist der Tatrichter bei seiner Schätzung innerhalb des genannten Rahmens nicht gehalten
  • Für die Schätzung des Tatrichters ist Vortrag der Parteien dazu ohne Relevanz, die Verkaufspreise von Kraftfahrzeugen der betroffenen Baureihen seien entweder tatsächlich nicht mit Rücksicht auf die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen gesunken oder der Schaden belaufe sich im konkreten Fall auf weniger als 5  % oder mehr als 15 % des gezahlten Kaufpreises. Entsprechende Behauptungen sind, weil die Grundsätze der Effektivität auf der einen und der Verhältnismäßigkeit auf der anderen Seite den Ausgleich eines Differenzschadens aus Rechtsgründen begrenzen, unerheblich und können eine Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht rechtfertigen. 
  • Dass für die Schätzung des Differenzschadens auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen ist, schließt eine schadensmindernde Berücksichtigung später eintretender Umstände im Wege der Vorteilsausgleichung, deren Voraussetzungen der Fahrzeughersteller darzulegen und zu beweisen hat, allerdings nicht aus. Insofern gelten die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe zum "kleinen" Schadensersatz nach § 826 BGB sinngemäß.
  • Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeugs sind erst dann und nur insoweit schadensmindernd anzurechnen, als sie den Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags (gezahlter Kaufpreis abzüglich Differenzschaden) übersteigen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2022, aaO, Rn. 22). Beruft sich der Fahrzeughersteller auf die nachträgliche Verbesserung des Fahrzeugs durch ein SoftwareUpdate, kann damit eine Schadensminderung indessen nur verbunden sein, wenn und soweit das Software-Update die Gefahr von Betriebsbeschränkungen signifikant reduziert. Das wiederum kann nur dann der Fall sein, wenn es nicht seinerseits eine unzulässige Abschalteinrichtung beinhaltet. Die Vorteilausgleichung kann der Gewährung auch eines Schadensersatzes aus § 823 Abs. 2 BGB entgegenstehen, wenn der Differenzschaden vollständig ausgeglichen ist. Der Schutz der unionsrechtlich gewährleisteten Rechte führt nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten (EuGH, Urteil vom 21. März 2023 - C-100/21, NJW 2023, 1111 Rn. 94; vgl. schon BGH, Urteil vom 10. Oktober 2022 - VIa ZR 542/21, VersR 2023, 192 Rn. 22). 

Das Urteil im Volltext:

Tenor:

 

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 5. Juli 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage betreffend eine deliktische Schädigung des Klägers durch das Inverkehrbringen des in seinen Klageanträgen näher bezeichneten Fahrzeugs abgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

 

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

 

 

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Der Kläger kaufte am 24. Oktober 2017 von der Beklagten einen von dieser hergestellten, gebrauchten Mercedes-Benz C 220 d, der mit einem Motor der Baureihe OM 651 ausgerüstet ist. Der Kläger finanzierte den Kaufpreis teilweise über ein Darlehen der Mercedes-Benz Bank AG. Die EG-Typgenehmigung wurde für die Schadstoffklasse Euro 6 erteilt. Die Abgasrückführung erfolgt unter anderem temperaturgesteuert und wird beim Unterschreiten einer Schwellentemperatur reduziert. Weiter verfügt das Fahrzeug über eine Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung (KSR), bei der die verzögerte Erwärmung des Motoröls zu niedrigeren NOx-Emissionen führt. Das Fahrzeug ist nicht von einem Rückrufbescheid des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen betroffen. Der Kläger verlangt von der Beklagten im Wesentlichen, ihn im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als habe er weder den das Fahrzeug betreffenden Kaufvertrag noch den Darlehensvertrag abgeschlossen. Das Landgericht hat der Klage unter dem Gesichtspunkt einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung überwiegend stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger 14.942,31 € nebst Zinsen zu zahlen und ihn von Verbindlichkeiten aus dem Darlehensvertrag in Höhe von 4.325,04 € freizustellen Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs und Übertragung des dem Kläger gegenüber der Bank zustehenden Anwartschaftsrechts auf Übereignung des Fahrzeugs. Ferner hat das Landgericht den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt, sie zur Freistellung des Klägers von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten verurteilt und die teilweise Erledigung des Rechtsstreits festgestellt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision möchte der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen. Im Termin vor dem Senat hat der Kläger vor Beginn der mündlichen Verhandlung der Beklagten zur Hauptsache die Revision zurückgenommen, soweit er mit ihr zunächst Ansprüche aus Kaufvertrag weiterverfolgt hat. 

 

Das Urteil wurde wie folgt begründet:

 

A.

Das angefochtene Urteil unterliegt aufgrund der beschränkten Zulassung durch das Berufungsgericht, der der nach Einreichung der Revisionsbegründung beschränkte Revisionsangriff (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 2022 - VIa ZR 601/21, NJW 2022, 2752 Rn. 5 mwN) entspricht, der revisionsrechtlichen Nachprüfung insoweit, als das Berufungsgericht die auf eine deliktische Schädigung des Klägers durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs gestützten Klageanträge abgewiesen hat.

 

Der Kläger hat seine Ansprüche in erster Instanz - so aus dem Aufbau der Klageschrift erkennbar und prozessual erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2019 - VI ZR 481/17, NJW 2019, 1669 Rn. 7 ff.) - in erster Linie auf eine deliktische Schädigung und hilfsweise auf Kaufrecht gestützt. Das Landgericht hat dem deliktsrechtlich begründeten Antrag teilweise entsprochen und über den kaufrechtlich gerechtfertigten Hilfsantrag nicht entschieden. Auf die Berufung nur der Beklagten hat das Berufungsgericht sowohl einen Anspruch aus unerlaubter Handlung als auch einen - bei ihm angefallenen (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2004 - II ZR 264/02, NJW-RR 2005, 220 f.) - Anspruch aus Kaufrecht abgewiesen. Das Berufungsgericht, das kaufvertragliche Ansprüche an ihrer Verjährung hat scheitern lassen, hat in den Gründen des Berufungsurteils ausgeführt, die Revision sei zur Klärung der "rechtlichen Anforderungen, die an ein Schutzgesetz im Sinn von § 823 Abs. 2 BGB zu stellen" seien, "speziell für den Fall" der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung zuzulassen. Da diese Frage für kaufvertragliche Ansprüche keine Bedeutung hat, hat das Berufungsgericht diesen (Hilfs-)Klagegrund von der Zulassung der Revision ausgenommen. Die Eingren5 6 7 - 5 - zung der Rechtsmittelzulassung kann sich bei - wie hier - uneingeschränkter Zulassung im Tenor auch aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils ergeben. Dies kann der Fall sein, wenn die Zulassung nur wegen einer bestimmten Rechtsfrage ausgesprochen wird. Bezieht sich die Rechtsfrage, zu deren Klärung das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, auf einen abtrennbaren Teil des Streitstoffs, ist die Entscheidung grundsätzlich so auszulegen, dass die Revision lediglich beschränkt auf diesen Teil des Streitgegenstands zugelassen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. August 2020 - III ZR 148/19, WM 2020, 1862 Rn. 13). Die Beschränkung der Zulassung auf den deliktsrechtlich gerechtfertigten Hauptantrag ist auch wirksam. Zwar ist eine Beschränkung der Zulassung auf andere Rechtsfragen, Anspruchselemente oder einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen nicht zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 13. August 2020 - III ZR 148/19, WM 2020, 1862 Rn. 13). Die vom Kläger vorrangig auf das Inverkehrbringen des Fahrzeugs und hilfsweise auf den gewährleistungsrechtlich gerechtfertigten Rücktritt vom Kaufvertrag gestützten Ansprüche betreffen aber unterschiedliche Streitgegenstände und stehen nicht lediglich in Anspruchsgrundlagenkonkurrenz. Die Einheitlichkeit des Klageziels genügt nicht, um einen einheitlichen Streitgegenstand anzunehmen. Eine Mehrheit von Streitgegenständen liegt vielmehr vor, wenn die materiell-rechtliche Regelung die zusammentreffenden Ansprüche durch eine Verselbständigung der einzelnen Lebensvorgänge erkennbar unterschiedlich ausgestaltet (BGH, Urteil vom 24. April 2023 - VIa ZR 1517/22, juris Rn. 6, zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ). Das ist hier der Fall. Das mit einer deliktischen Schädigung begründete Begehren auf Schadensersatz wegen des Inverkehrbringens des Fahrzeugs ist mit einem auf die Rückabwicklung infolge des Rücktritts vom Kaufvertrag gestützten Begehren nicht identisch (näher BGH, Urteil vom 24. April 2023 - VIa ZR 1517/22, juris Rn. 7; Beschluss vom 26. Januar 2021 - VIII ZR 357/20, juris 8 9 - 6 - Rn. 10 f.). Die Staffelung von Haupt- und Hilfsantrag ist für das weitere Verfahren nur insoweit von Relevanz, als im Falle des Erfolgs des Klägers mit dem Hauptantrag auszusprechen wäre, dass die Abweisung des Hilfsantrags gegenstandslos ist (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2016 - VII ZR 17/14, NJW 2017, 1180 Rn. 15). Anders liegt es mit Blick auf die Rechtfertigung des Klageziels aus Delikt mit dem Hauptantrag, innerhalb dessen die Zulassung nicht beschränkt ist und nicht beschränkt werden konnte. Soweit die vom Berufungsgericht in den Blick genommene Schutzgesetzqualität der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung Relevanz allein für Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB hat, fehlt es entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung an der erforderlichen Selbständigkeit des von der Zulassungsbeschränkung erfassten Teils des Streitstoffs (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2017 - VIII ZR 295/15, NJW 2017, 2679 Rn. 14; Urteil vom 19. September 2018 - VIII ZR 261/17, WuM 2018, 758 Rn. 17). Zu etwaigen Ansprüchen aus §§ 826, 31 BGB bestünde Anspruchsgrundlagenkonkurrenz, nicht Anspruchskonkurrenz (BGH, Urteil vom 13. Juni 2022 - VIa ZR 680/21, NJW-RR 2022, 1251 Rn. 26). Die Zulassung der Revision hinsichtlich deliktischer Ansprüche erfasst neben dem mit dem Klageantrag zu 1 geltend gemachten Schadensersatzanspruch als vom Hauptleistungsanspruch abhängige Ansprüche auch die mit dem Klageantrag zu 2 begehrte Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten, den mit dem Klageantrag zu 3 geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten und die mit dem Klageantrag zu 4 begehrte Feststellung der teilweisen Erledigung des Rechtsstreits (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2021 - VI ZR 449/20, NJW-RR 2021, 316 Rn. 6; Urteil vom 29. Juni 2021 - VI ZR 130/20, WM 2021, 1560 Rn. 14; Urteil vom 8. Juli 2021 - I ZR 248/19, NJW 2022, 52 Rn. 16). 10 11 - 7 - B. Die Revision hat Erfolg. I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung (OLG Stuttgart, Urteil vom 5. Juli 2022 - 24 U 314/21, juris) im Wesentlichen wie folgt begründet: Ein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB scheide aus. Der Kläger habe die Voraussetzungen für eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung - das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung unterstellt - nicht schlüssig behauptet, weil er mangels tatsächlicher Anhaltspunkte in nicht zu berücksichtigender Weise ins Blaue hinein zu einem vorsätzlichen Verhalten von Repräsentanten der Beklagten vortrage. Aus diesem Grund werde weder eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten ausgelöst noch sei eine Beweisaufnahme erforderlich. Für einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB fehle es ebenfalls an einem zu berücksichtigenden Vortrag zu einer vorsätzlichen Begehungsweise. Eine Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6, 27 EG-FGV oder Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 oder der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 692/2008 scheitere bereits daran, dass diese Normen keine Schutzgesetze seien. Die Richtlinie 2007/46/EG scheide mangels unmittelbarer Geltung als Schutzgesetz aus. 12 13 14 15 - 8 - II. Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand. 1. Allerdings begegnet es auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen keinen revisionsrechtlichen Zweifeln, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten gemäß §§ 826, 31 BGB und gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB mangels vorsätzlichen (und sittenwidrigen) Verhaltens verneint hat, weil es entsprechende Anhaltspunkte für das Vorstellungsbild der für die Beklagte handelnden Personen nicht feststellen konnte. Hieran ist das Revisionsgericht gemäß § 559 Abs. 2 ZPO in Ermangelung eines zulässigen und begründeten Revisionsangriffs gebunden. Die Revision zeigt nicht auf, dass dem Berufungsgericht bei der Würdigung der von ihm festgestellten Tatsachen und des von ihm als zutreffend unterstellten Sachvortrags des Klägers ein Rechtsfehler unterlaufen wäre (vgl. zur eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfung BGH, Urteil vom 25. November 2021 - VII ZR 257/20, WM 2022, 87 Rn. 32 mwN). Sie legt auch nicht dar, dass das Berufungsgericht relevanten Sachvortrag oder Beweisantritte des darlegungs- und beweisbelasteten Klägers (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, VersR 2021, 1252 Rn. 14; Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19, NJW 2021, 921 Rn. 19; Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 29; Beschluss vom 14. März 2022 - VIa ZR 51/21, juris Rn. 21) übergangen hätte. a) Da das Berufungsgericht die Unzulässigkeit von im Fahrzeug des Klägers vorhandenen emissionsbeeinflussenden Einrichtungen unterstellt hat, gehen die Rügen der Revision, an der Unzulässigkeit der Abschalteinrichtungen bestünden keine begründeten Zweifel und diese hätten sich bei einer gebotenen Beweisaufnahme bestätigt, ins Leere. 16 17 18 - 9 - b) Unbegründet ist die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe die KSR ohne Einholung des vom Kläger angebotenen Sachverständigengutachtens bewertet und nicht hinreichend aufgeklärt, wie nahe die KSR den Prüfstandsbedingungen des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) entspreche. Das Berufungsgericht hat die Unzulässigkeit der KSR unterstellt, daraus aber nicht die vom Kläger gewünschten Schlüsse gezogen. Es hat festgestellt, dass der Kläger nicht vortrage, dass die Bedatung der KSR derart spezifisch auf den NEFZ abgestimmt sei, dass der Schluss auf eine gezielte Prüfstandserkennung mit dem Ziel des vorsätzlichen Erschleichens der EG-Typgenehmigung möglich wäre. Eine weitergehende Ermittlung des Sachverhalts durch das Berufungsgericht war bei dieser Sachlage nicht veranlasst (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Mai 2022 - VIa ZR 51/21, juris Rn. 5). c) Soweit die Revision aus der Zurverfügungstellung freiwilliger SoftwareUpdates auf das Vorliegen unzulässiger Abschalteinrichtungen schließen möchte, setzt sie lediglich ihre eigene Würdigung an die Stelle der gegenteiligen Würdigung des Berufungsgerichts, ohne einen Rechtsfehler aufzuzeigen (vgl. auch BGH, Urteil vom 26. April 2022 - VI ZR 435/20, VersR 2022, 1122 Rn. 15). d) Die Vernehmung des früheren Vorstandsvorsitzenden der Beklagten als Zeuge war nicht veranlasst. Dass der Kläger beachtlich vorgetragen hätte, der Vorstand der Beklagten habe Kenntnis von der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen gehabt, zeigt die Revision nicht auf. Die von der Revision in Bezug genommene Stelle aus der Klageschrift beschränkt sich auf die schlichte Behauptung, der Vorstand der Beklagten sei "in die entsprechenden Vorgänge eingeweiht" gewesen. Der als übergangen gerügte Vortrag geht über eine substanzlose und damit unbeachtliche Behauptung nicht hinaus, die einem Beweis nicht zugänglich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 101/21, juris Rn. 18). 19 20 21 - 10 - e) Zu Unrecht rügt die Revision, dass das Berufungsgericht die Vorlage der Anträge und Bescheide im Typgenehmigungsverfahren hätte anordnen müssen, um der Behauptung des Klägers nachzugehen, die Beklagte habe keine vollständigen Angaben zur Wirkungsweise des Thermofensters gemacht. Eine Anordnung gemäß § 142 Abs. 1 ZPO war nicht veranlasst, da das Berufungsgericht die unterbliebene Offenlegung des Thermofensters oder dessen genauer Wirkungsweise gegenüber dem KBA unterstellt hat. f) Auch im Übrigen erachtet der Senat die von der Revision erhobenen Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend (§ 564 Satz 1 ZPO). 2. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ausgeschlossen hat, ist nach den vom Bundesgerichtshof mit Urteil vom 26. Juni 2023 geklärten und näher erläuterten Grundsätzen nicht frei von Rechtsfehlern. Zwar hat das Berufungsgericht danach rechtsfehlerfrei einen auf diese Vorschriften gestützten Anspruch auf Gewährung "großen" Schadensersatzes abgelehnt. Es hat allerdings übersehen, dass dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens zustehen kann, zu dem es - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - nähere Feststellungen nicht getroffen hat (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21 unter II.2.a und b, zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ). Das Berufungsgericht hätte die Klage bei richtiger rechtlicher Bewertung nicht auf die Berufung der Beklagten abweisen dürfen, ohne dem Kläger Gelegenheit zu geben, den von ihm geltend gemachten Schaden im Sinne des Differenzschadens zu berechnen. Denn dem vom Kläger in erster Linie auf §§ 826, 31 BGB gestützten "großen" Schadensersatz einerseits und einem Differenzschaden nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV andererseits liegen lediglich unterschiedliche Methoden der Schadensberechnung zugrunde, die im Kern an die Vertrauensinvestition des Käufers bei 22 23 24 25 - 11 - Abschluss des Kaufvertrags anknüpfen (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21 unter II.2.d). Die Stellung eines an die Geltendmachung des Differenzschadens angepassten, unbeschränkten Zahlungsantrags ohne Zug-um-Zug-Vorbehalt ist dem Kläger möglich. Zwar ist dem Kläger mit Verfügung des Vorsitzenden eine Frist zur Erwiderung auf die Berufungsbegründung gesetzt worden und sollte diese Frist "ab Zustellung dieser Verfügung" laufen. Der Vorsitzende hat die Zustellung der Verfügung aber nicht angeordnet (vgl. BGH, Urteil vom 16. Oktober 1956 - VI ZR 174/55, NJW 1956, 1878, 1879). Der Akte lässt sich zudem weder die Übermittlung einer beglaubigten Abschrift der Verfügung (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2018 - XI ZR 572/16, WM 2018, 1599 Rn. 19) als beglaubigte elektronische Abschrift gemäß § 169 Abs. 4 ZPO noch die Übermittlung einer einfachen Abschrift an das besondere elektronische Anwaltspostfach des Prozessbevollmächtigten des Klägers in zweiter Instanz gemäß § 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO in der bis zum 31. Juli 2022 geltenden Fassung (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2022 - V ZR 15/21, NJW 2022, 1816 Rn. 26) entnehmen. Vielmehr hat die Geschäftsstelle des Berufungsgerichts lediglich eine "formlos[e]" Übermittlung der "Verfügung" in den Akten dokumentiert und der Prozessbevollmächtigte des Klägers in zweiter Instanz nur den Erhalt eines "elektronische[n] Dokument[s]" bestätigt. Der Übermittlungsweg lässt sich anhand der Akte nicht nachvollziehen. Auch dann, wenn der Übergang vom "großen" Schadensersatz zum Ersatz des Differenzschadens unter Aufgabe des Zug-um-Zug-Vorbehalts eine Anschlussberufung voraussetzte, könnte die Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO noch gewahrt werden. 26 - 12 - III. Das Berufungsurteil ist gemäß § 562 Abs. 1 ZPO in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang aufzuheben, weil es sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 561 ZPO). Das Berufungsgericht hat das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur unterstellt und auch sonst keine Feststellungen getroffen, die eine deliktische Haftung der Beklagten wegen eines zumindest fahrlässigen Verhaltens ausschlössen. Der Senat kann daher nicht in der Sache selbst entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO, sondern verweist die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Für das weitere Verfahren wird das Berufungsgericht hinsichtlich der Aktivlegitimation des Klägers das Urteil des Senats vom 24. April 2023 (VIa ZR 1517/22, juris) und insbesondere bei der Prüfung einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV sowie 27 28 - 13 - hinsichtlich der von der Beklagten eingewandten Tatbestandswirkung einer EGTypgenehmigung die näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom 26. Juni 2023 (VIa ZR 335/21 unter II.1 und IV) zu beachten haben. Sollte das Berufungsgericht nach der Zurückverweisung andere Tatsachen feststellen, aufgrund derer eine Haftung der Beklagten auch nach §§ 826, 31 BGB in Betracht käme, wäre es im Übrigen an einer Würdigung des Prozessstoffs unter diesem Gesichtspunkt nicht nach § 563 Abs. 2 ZPO gehindert (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juni 2017 - IX ZR 204/15, NJW-RR 2017, 1020 Rn. 11). 

 

Vorinstanzen:

LG Stuttgart, Entscheidung vom 17.12.2021 - 29 O 286/21 

OLG Stuttgart, Entscheidung vom 05.07.2022 - 24 U 314/21 -