BayVGH: Corona-Soforthilfe muss zurückgezahlt werden

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 27. März 2025 (Az. 21 ZB 24.514) entschieden, dass bay. Unternehmen und Soloselbstständige Förderungen aus der bayerischen Corona-Soforthilfe vom Frühjahr 2020 zurückzahlen müssen, wenn sich nachträglich herausstellt, dass entgegen der Prognose tatsächlich kein pandemiebedingter Liquiditätsengpass im sog. 3-Monats-Zeitraum nach der Antragstellung eingetreten ist. 

 

Dem Beschluss lag folgender Sachverhalt zugrunde:

 

Am 18. März 2020 beantragte der Kläger einen „Zuschuss für von der Corona-Krise 03/2020 besonders geschädigte gewerbliche Unternehmen und Angehörige freier Berufe“ („Soforthilfe Corona“). Als entstandenen Liquiditätsengpass gab er 10.000,00 EUR an. Mit Bescheid vom 30. März 2020 bewilligte die Regierung von Mittelfranken dem Kläger eine Soforthilfe in Höhe von 5.000,00 EUR. Am 1. April 2020 stellte der Kläger einen Änderungsantrag. Als Liquiditätsengpass gab er dabei 9.000,00 EUR an. Mit Bescheid vom 9. Mai 2020 bewilligte die Regierung von Mittelfranken eine Soforthilfe in Höhe von 9.000,00 EUR. Der Betrag wurde ausbezahlt. Am 25. Mai 2023 teilte der Kläger mit, dass er keinen Liquiditätsengpass erlitten habe (Erwerbsmäßiger Sach- und Finanzaufwand 17.905,41 EUR; Betriebseinnahmen 51.054,47 EUR; Liquiditätsengpass – 33.149,06 EUR). Er sei aber nicht zur Rückzahlung der Soforthilfe verpflichtet. Mit Bescheid vom 17. Juli 2023 erklärte die Regierung den Widerruf des Bescheids vom 30. März 2020 sowie des Änderungsbescheids vom 9. Mai 2020 mit Wirkung für die Vergangenheit. Ferner forderte er den ausgezahlten Betrag von 9.000,00 EUR mit Wirkung für die Vergangenheit zurück.

 

Der Beschluss wurde auszugsweise wie folgt begründet:

 

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

 

[BayVGH zum gerichtlichen Prüfungsumfang]

 

Sind die Fördervoraussetzungen – wie hier – in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den Richtlinien zum Ausdruck kommt. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ggf. ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Entscheidend ist daher allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz gebunden ist (BVerwG, U.v. 16.6.2015 – 10 C 15.14 – juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 17.11.2010 – 4 ZB 10.1689 – juris Rn. 19; B.v. 27.7.2009 – 4 ZB 07.1132 – juris Rn. 13). Ein Anspruch auf die Förderung besteht im Einzelfall über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz dann, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Beklagten auch positiv verbeschieden werden (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26; NdsOVG, U.v. 15.2.2022 – 10 LC 151/20 – juris Rn. 41). Richtlinien oder sonstige ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften dürfen dabei nicht gerichtlich ausgelegt werden, sondern dienen nur dazu, eine dem Gleichheitssatz entsprechende Ermessenausübung der Behörde zu gewährleisten (VGH BW, U.v. 13.7.2023 – 14 S 2699/22 – juris Rn. 63 m.w.N.).

 

[BayVGH zu den Personalkosten]

 

Eine abweichende Behördenpraxis hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt. Denn es ist nicht ausreichend, lediglich darauf hinzuweisen, dass bei einer kursorischen Sichtung von ca. 100 Anträgen, die bewilligt worden seien, 20 Stück ins Auge gefallen seien, die ausdrücklich als Antragsbegründung die angefallenen Personalkosten angegeben hätten. Der Beklagte hat darauf hingewiesen, dass die Bescheide ab 2020 unter großem Zeitdruck ergingen und es dabei von Anfang an der Verwaltungspraxis entsprochen habe, Personalkosten nicht zu berücksichtigen. In der ersten Zeit seien eine große Menge an Anträgen eingegangen und die Hilfen sollten unbürokratisch ausbezahlt werden, sodass meist lediglich eine oberflächliche Prüfung der Anträge erfolgt sei. Aus den Arbeitshilfen, die den Sachbearbeitern zu Beginn zur Verfügung gestellt worden seien, ergebe sich, dass im Sinn einer schnellen Hilfe und aufgrund der Masse der Anträge nicht zu tief geprüft werden sollte, insbesondere Anträge mit niedrigen Beträgen nur bei offensichtlicher Unrichtigkeit oder Unglaubwürdigkeit abgelehnt werden sollten. Anders sei die Auszahlung der Mittel in der Kürze der Zeit nicht möglich gewesen. Daher sei es durchaus möglich, dass auch Anträge bewilligt worden seien, in denen Personalkosten aufgeführt worden gewesen seien. Soweit später erfolgte Anträge, in denen Personalkosten angeführt waren, vermehrt abgelehnt worden sein sollen, so möge dies daraus resultieren, dass (erst) nach der ersten Flut der Anträge die Personalkapazitäten massiv ausgebaut worden seien und damit wieder mehr Kapazität für die inhaltliche Prüfung der Anträge vorhanden gewesen sei.

 

Diese Ausführungen sind für den Senat nachvollziehbar. Es kann daher keine gängige Förderpraxis festgestellt werden, Personalkosten zu berücksichtigen. Allein die Tatsache, dass einzelne Anträge bewilligt wurden, in denen die Personalkosten aufgeführt waren, führt nicht dazu, dass es gängige Verwaltungspraxis war, Personalkosten zu berücksichtigen.

 

Der Kläger rügt, dass das Verwaltungsgericht in seinem Urteil mehrfach von „Vorgaben des Bundes“ spreche. Es sei in der Folge unschlüssig, wenn man auf der einen Seite von bundeseinheitlichen Vorgaben ausgehen möchte, auf der anderen Seite aber jeglichen Vergleich mit anderen Bundesländern ablehne. Dieser zeige nämlich gerade auf, dass es eine einheitliche Vorgabe des Bundes zur Nichtberücksichtigung von Personalkosten nicht gegeben habe.

 

Ein Vergleich mit anderen Bundesländern, welche die Berücksichtigung von Personalkosten zuließen, lässt indes keinen Rückschluss auf die Vorgaben des Bundes zu. Es stand den Ländern frei, beispielsweise die vom Bund als nicht berücksichtigungsfähig angesehenen Personalkosten mit Landesmitteln zu tragen. Eine abweichende Handhabung in anderen Ländern führt nicht zu einer Ungleichbehandlung der bayerischen Soforthilfeempfänger, denn die aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Verpflichtung des Subventionsgebers, wesentlich Gleiches nicht willkürlich ungleich zu behandeln, ist auf den Kompetenzbereich der jeweils zuständigen Behörde begrenzt (vgl. BVerfG U.v. 23.11.1951 – 1 BvR 208/51 – NJW 1952, 177).

 

[BayVGH: Auslegung des Zwecks der Soforthilfe]

 

Bei der Ermittlung des Zwecks einer Zuwendung ist auf den objektiven Wortlaut des Zuwendungsbescheids sowie analog § 133 BGB auf den objektiven Gehalt der Erklärung aus Sicht des Empfängers und auf die dem Begünstigten bekannten und erkennbaren Umstände abzustellen (BVerwG, U.v. 11.02.1983 – 7 C 70/90 – juris Rn. 16). Im vorliegenden Fall ergibt sich die Zweckbindung aus dem Änderungsbescheid vom 9. Mai 2020, der den Bescheid vom 30. März 2020 ersetzte. Nach dessen Ziff. 4 wird die Soforthilfe unter anderem unter der Maßgabe ausgereicht, dass sie zweckgebunden ist und ausschließlich der Bewältigung der existenzbedrohlichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten dient, in die der Empfänger infolge der Corona-Pandemie geraten ist, weil die fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb voraussichtlich nicht ausreichen, um die Verbindlichkeiten in den auf die Antragstellung folgenden drei Monaten aus dem fortlaufenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand (z. B. gewerbliche Mieten, Pachten, Leasingraten) zu zahlen (Liquiditätsengpass). Aus der Formulierung „voraussichtlich nicht ausreichen“ kann nicht geschlossen werden, dass ein erwarteter, aber nicht tatsächlich eingetretener Liquiditätsengpass eine Antrags- und Förderberechtigung nach der Zweckbestimmung begründet. Daraus folgt nur, dass zu Beginn der Pandemie lediglich eine Prognose hinsichtlich des möglicherweise noch einzutretenden Liquiditätsengpasses getroffen werden konnte. Denn nur so war es möglich, die Hilfen bereits im Voraus auszubezahlen, da das Abstellen auf einen tatsächlich eingetretenen Liquiditätsengpass bedeutet hätte, erst dann Hilfen zu bewilligen, wenn ein solcher Eintritt tatsächlich auch hätte nachgewiesen werden können.

 

Der Kläger macht weiterhin geltend, dass die Zweckdarstellung in der bayerischen Richtlinie eine klare Bezugnahme zu Arbeitsplätzen unter Aufrechterhaltung des Betriebs vorgegeben habe. Demnach müssten bei einer Auslegung nach § 133 BGB auch Personalkosten von dieser Zweckbindung umfasst sein. Richtig ist, dass die Richtlinie vom 3. April 2020 in Nr. 1 Satz 3 als Zweck der Soforthilfe auch den Erhalt von Arbeitsplätzen nennt. Dieser Gesichtspunkt führt jedoch nicht dazu, dass Personalkosten berücksichtigungsfähige Kosten darstellen müssten. Die Soforthilfe erfüllt auch ihren Zweck, Arbeitsplätze zu erhalten, wenn Personalkosten nicht berücksichtigt werden, da sie existenzbedrohliche Lagen für die Betriebe abwendet. Wird die Existenz von Betrieben gesichert, werden dadurch auch Arbeitsplätze erhalten.

 

Mit dem Zuwendungsbescheid wurde entgegen der Auffassung des Klägers nicht erklärt, dass die Bewilligung endgültig ist und es keine spätere Rückforderung geben wird. Dafür gibt es keine Anhaltspunkte. Nach dem objektiven Empfängerhorizont konnte der Kläger nicht davon ausgehen, dass es sich um eine abschließende Gewährung auf Grundlage des gestellten Antrags und dem darin prognostizierten Liquiditätsengpass handelt.

 

Der Kläger nimmt auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (U.v. 17.3.2023 – 4 A 1986/22 – juris) und die dortige Rückforderungspraxis Bezug. Die Bescheide in Nordrhein-Westfalen waren jedoch anders ausgestaltet als in Bayern (beabsichtigte Schlussbescheide anstatt Bescheide mit Nebenbestimmungen), und die Aussagen des dortigen Wirtschaftsministers haben keine Bindungswirkung für den Freistaat Bayern. Insofern sind die detaillierten Ausführungen des Erstgerichts (UA S. 27 ff.) diesbezüglich nicht zu beanstanden.

 

[BayVGH zum Vertrauensschutz]

 

Der Kläger ist der Auffassung, dass der Vertrauensschutz nicht hinreichend beachtet worden sei. Denn konsequenterweise käme im vorliegenden Fall einzig Art. 48 BayVwVfG als Rechtsgrundlage in Betracht. Dieser sehe in Absatz 2 ausdrücklich die Prüfung des Vertrauensschutzes vor.

 

Es ist vorliegend nicht zu beanstanden, dass das Erstgericht Art. 48 BayVwVfG nicht angewendet hat. Denn wie oben dargelegt wurde, handelte es sich um den Widerruf rechtmäßiger Verwaltungsakte nach Art. 49 BayVwVfG. Vorliegend ist der Widerrufsgrund des Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 BayVwVfG erfüllt, weil der der Gewährung der Soforthilfe Corona beigemessene Zweck endgültig nicht mehr erreicht werden kann. Der Zuwendungszweck ergab sich eindeutig aus dem Bescheid (Ziff. 4; s.o. 1.4.1). Ein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend, dass die Soforthilfe unabhängig von der tatsächlichen Geschäftsentwicklung behalten werden darf, bestand nicht.

 

Soweit der Kläger darauf hinweist, dass bereits im Juli 2020 eine Aufforderung zur Überprüfung durch das Bundeswirtschaftsministerium aufgrund erfolgter Stichproben erfolgt sei und Nordrhein-Westfalen mit einem Rückmeldeverfahren begonnen habe lässt sich daraus für den Vertrauensschutz des Klägers nichts ableiten. Denn die Durchführung eines Rückmeldeverfahrens ist unabhängig von den Verpflichtungen, die sich für den Kläger direkt aus dem Bescheid ergaben. So war er gemäß Ziff. 1.1 der Nebenbestimmungen zum Änderungsbescheid vom 9. Mai 2020 verpflichtet, unverzüglich der Bewilligungsbehörde anzuzeigen, wenn die für die Gewährung der Soforthilfe maßgeblichen Umstände sich ändern oder wegfallen sowie die Soforthilfe dann zu erstatten, wenn sich herausstellt, dass sie nicht oder nicht in der vollen Höhe benötigt wird (Ziff. 5 der Nebenbestimmungen).

 

Soweit der Kläger eine Mitteilung des StMWi vom 27. Februar 2021 zitiert, kann dies seinen Empfängerhorizont im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides im Jahr 2020 nicht beeinflusst haben, unabhängig davon, dass eine Pressemitteilung die Nebenbestimmungen des Bescheids nicht modifizieren kann.

 

[BayVGH nochmals zur Berücksichtigung von Personalausgaben]

 

Nach Auffassung des Klägers stellt die Nichtberücksichtigung von Personalausgaben eine willkürliche Ungleichbehandlung der antragsberechtigten Unternehmen dar. Denn die Nichtberücksichtigung von Personalausgaben führe zu einer Ungleichbehandlung verschiedener Unternehmen aufgrund der Branchenzugehörigkeit und dem Anteil der Personalkosten an Gesamtkosten.

 

Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 118 Abs. 1 BV verpflichten die Behörde im Rahmen ihrer Ermessensausübung wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches nicht gleich zu behandeln. Der vom Kläger benannte Gesichtspunkt bietet keinen konkreten Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte gegen diesen Grundsatz verstoßen hätte. Nach der ständigen Verwaltungspraxis des Beklagten werden Personalkosten nicht von der Förderung abgedeckt, da sie weder Sach- noch Finanzaufwand sind. Der gesamte Personalaufwand (Gehälter, Kranken- und Sozialversicherungsbeiträge etc.) wird von der Förderung nicht umfasst. Der Arbeitgeber muss, sofern möglich, Kurzarbeit anmelden, sofern das Personal nicht beschäftigt werden kann. Im Übrigen trägt er, vorbehaltlich spezieller sonstiger Förderungen, insoweit das wirtschaftliche Risiko seines Geschäftsbetriebs. Es steht allein dem Zuwendungsgeber zu, den Zuwendungszweck zu bestimmen und im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens darüber zu entscheiden, welche Ausgaben er dem Fördergegenstand zuordnet und wer konkret begünstigt werden soll.

 

Der Beklagte erkennt im Rahmen der Prüfung des Umfangs des fortlaufenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwands zur Bestimmung eines Liquiditätsengpasses ausnahmslos Personalkosten nicht an und verweist Arbeitgeber, sofern möglich, auf die Anmeldung zur Kurzarbeit. Die tatsächliche ständige Verwaltungspraxis im Vollzug der Förderrichtlinien ist somit Maßstab der gerichtlichen Überprüfung, die sich darauf zu beschränken hat, ob dabei der Gleichheitssatz oder sonstiges materielles Recht verletzt wurden. Solches ist mit Blick auf eine ausnahmslose Versagung der Anerkennungsfähigkeit von Personalkosten, egal in welcher Branche, allerdings nicht ersichtlich. Die Existenz von Branchen, die personalintensiver sind als andere, führt nicht dazu, dass der Beklagte diesbezüglich in seine Förderpraxis ein Differenzierungskriterium hätte einführen müssen. Es ist für den Senat nachvollziehbar, dass bei einem Massenverfahren einzelne Regelungen für einzelne Antragsteller vorteilhafter bzw. nachteiliger sind als für andere. Ein auf den Einzelfall ausgerichtetes Hilfsprogramm wäre angesichts der Masse der Antragsteller nicht umsetzbar gewesen und entsprach damit auch nicht dem Willen des Beklagten. Insofern kann es nicht beanstandet werden, wenn für die Bestimmung der Höchstbeträge auf ein objektives Bemessungskriterium – die Beschäftigtenzahl – abgestellt wurde, um eine möglichst gerechte Verteilung der Hilfen zu erreichen.

 

Eine Staffelung der Förderung nach der Personalintensität der Branche wäre zwar von Rechts wegen möglich, eine gerichtlich durchsetzbare Verpflichtung des Beklagten hierzu besteht allerdings nicht. Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 118 Abs. 1 BV gebieten, wie bereits ausgeführt (s.o. 1.3), eine gleichmäßige Verwaltungspraxis. Dazu gehört das Verbot einer nicht durch sachliche Unterschiede gerechtfertigten Differenzierung zwischen verschiedenen Sachverhalten bei der Förderung. Dabei steht es dem Richtliniengeber frei, sich für eine bestimmte Verwaltungspraxis zu entscheiden und diese zu handhaben. Die Willkürgrenze wird selbst dann nicht überschritten, wenn es auch für eine alternative Förderpraxis gute oder gegebenenfalls sogar bessere Gründe gäbe. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich daher der Schluss aufdrängen würde, dass sie auf sachfremden Kriterien beruhen. Dies ist jedoch hier nicht der Fall.

 

[BayVGH: Verfahren weist weder rechtliche noch tatsächliche Schwierigkeiten auf]

 

Der Zulassungsgrund der besonderen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor.

 

Die Darlegung des Zulassungsgrundes der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten erfordert die konkrete Darlegung, welche Teile des Urteils mit guten Gründen in einer Weise angreifbar sind, dass aufgrund der deshalb gegebenen rechtlichen Schwierigkeiten begründete Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen (Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 209).

 

Als besondere rechtliche Schwierigkeiten bezeichnet der Kläger, dass neben der Reichweite der Außenwirkung der Richtlinien die Vereinbarkeit der Richtlinien mit allgemeinen Gesetzen und mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz zu überprüfen sei. Die inzidente Kontrolle von Normen auch auf ihre Verfassungsmäßigkeit stelle eine besondere Schwierigkeit in rechtlicher Hinsicht dar. Sowohl die Förderrichtlinie als auch die ergänzend herangezogenen FAQ enthielten eine Vielzahl an unbestimmten Rechtsbegriffen, sodass für deren Konkretisierung eine Auslegung erforderlich sei. Daher sei es auch nur nach ausführlicher Prüfung möglich, eine rechtliche Beurteilung vorzunehmen.

Es fehlt aber an Ausführungen dazu, inwiefern das Verwaltungsgericht diesbezüglich Fehler gemacht haben könnte. Der Anspruch auf eine Förderung ergibt sich aus der (auf der Richtlinie beruhenden) gleichmäßigen Verwaltungspraxis und nicht aus der Auslegung dieser Vergaberichtlinien durch das Verwaltungsgericht. Die entsprechenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts finden sich auf S. 22 ff. des Urteils. Der Kläger zeigt diesbezüglich keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten auf. Im Übrigen wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

 

Die Darlegung besonderer tatsächlicher Schwierigkeiten muss verdeutlichen, weshalb der Sachverhalt besonders unübersichtlich oder schwierig zu ermitteln ist und weshalb die Aufklärung durch das Verwaltungsgericht nicht ausgereicht hat, die Schwierigkeiten zu lösen.

Der Kläger trägt hierzu vor, dass die Nachweisbarkeit der Tatsachen deutlich erschwert sei, da sie sich aus einer komplexen Sachlage ergebe. Es ergäben sich Unstimmigkeiten hinsichtlich des sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergebenden Sachverhalts und den Feststellungen des Verwaltungsgerichts. So sei aufgrund dieser Widersprüche der genaue Zeitpunkt der Antragstellung durch den Kläger unklar. Auch die Feststellung, ob und wann hier nachträglich eintretende Ereignisse vorliegen sollen oder können, bereite offensichtlich erhebliche Schwierigkeiten.

 

Der Senat teilt diese Auffassung nicht. Wie oben bereits dargelegt (s.o. 1.1), ist der zweite (Online-) Antrag durch den Kläger selbst gestellt worden, und zwar am 1. April 2020. Damit steht der Zeitpunkt dieser Antragstellung fest. Hinsichtlich der Frage, ob nachträglich eingetretene Tatsachen vorliegen, ist ebenfalls auf die obigen Ausführungen (s.o. 1.2) zu verweisen. Besondere Schwierigkeiten in tatsächlicher Hinsicht liegen hier nicht vor.

 

[BayVGH: Verfahren hat keine grundsätzliche Bedeutung]

 

Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die Darlegung dieses Zulassungsgrunds erfordert die Formulierung einer Rechtsfrage, die klärungsbedürftig und klärungsfähig ist. Zudem muss die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse liegen.

 

Der Kläger formuliert folgende Fragen

 

1. Welcher Zeitpunkt ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufsbe-scheids relevant? Ist hierfür auf den Antragszeitpunkt abzustellen oder soll es in der Hand der Behörde liegen, durch den Zeitpunkt der Bewilligungsentscheidung die anzuwendende Rechtsgrundlage beeinflussen zu können?

 

2. Wie ist die Zweckbindung in den vorliegenden Bewilligungsbescheiden auszulegen? Welche Rolle spielt hierbei die unterschiedliche Formulierung einer Zweckbestimmung in den beiden Bewilligungsbescheiden?

 

3. Welche Bindungswirkung kommt einer öffentlichen Pressemitteilung des der Bewilligungsstelle übergeordneten Ministeriums zu?

 

4. Welche Rechtsgrundlage ist für den vorliegenden Widerrufsbescheid anzuwen-den? Liegt hier der Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsakts oder die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts vor?

 

5. Führt das Vorliegen von Bundesvorgaben – wie die Beklagte selbst betitelt „Bundeseinheitliche Vorgaben“ – dazu, dass im Rahmen des Gleichheitsgrundsatzes bei wesentlichen Bedingungen auch eine Berücksichtigung von Rahmenbedingungen und deren Anwendung in anderen Bundesländern erfolgen muss?

 

Bei Frage 1 ist zunächst festzuhalten, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung für die Rechtmäßigkeit der Bewilligungsentscheidung entscheidend ist, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsentscheidung in ständiger, zu einer Selbstbindung der Verwaltung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2015 – 10 C 15.14 – juris Rn. 24). Der Verwaltungsgerichtshof folgt dem in ständiger Rechtsprechung (vgl. BayVGH, B.v. 23.10.2023 – 22 ZB 23.1426 – juris Rn. 13; U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26). Mithin ist, wie oben bereits dargelegt (s.o. 1.2), für die Frage der Rechtmäßigkeit des Änderungsbescheids die Verwaltungspraxis im Zeitpunkt dieser Behördenentscheidung maßgeblich. Denn für die Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Gewährung einer Subvention vorliegen, ist grundsätzlich auf die Verwaltungspraxis bzw. Richtlinie im Zeitpunkt des Bewilligungsbescheids abzustellen.

Dies hat Auswirkungen, wenn der Bewilligungsbescheid aufgehoben werden soll: entsprach die Bewilligung der Verwaltungspraxis und war sie mithin rechtmäßig, kommt ein Widerruf (Art. 49 BayVwVfG) in Betracht, im Fall der rechtswidrigen Bewilligung eine Rücknahme (Art. 48 BayVwVfG). In der vorliegenden Konstellation war, wie oben dargelegt wurde (s.o. 1.4.2), die Bewilligungsentscheidung rechtmäßig, so dass ein Widerruf nicht zu beanstanden ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage der Rechtmäßigkeit des Widerrufsbescheids ist wiederum nach allgemeinen Grundsätzen der Zeit-punkt der Behördenentscheidung über den Widerruf. Denn wenn sich bei einer Anfechtungsklage dem einschlägigen materiellen Recht keine Anhaltspunkte für den Beurteilungszeitraum entnehmen lassen, ist der Zeitpunkt der letzten Behördenent-scheidung maßgeblich (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 56).

 

Diese Grundstruktur im Subventionsrecht ergibt sich zum einen aus der höchstrichtelichen Rechtsprechung, zum anderen aus dem Gesetz, so dass es für die Klärung der in Frage 1 aufgeworfenen Zusammenhänge nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf, zumal der Kläger die konkrete Klärungsbedürftigkeit auch nicht näher dargelegt hat.

 

Diese Grundstruktur im Subventionsrecht ergibt sich zum einen aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung, zum anderen aus dem Gesetz, so dass es für die Klärung der in Frage 1 aufgeworfenen Zusammenhänge nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf, zumal der Kläger die konkrete Klärungsbedürftigkeit auch nicht näher dargelegt hat.

 

Frage 2 zielt auf die Auslegung der vorliegenden Bewilligungsbescheide ab. Diese Frage lässt sich nur im konkreten Einzelfall unter Zugrundelegung des an den Kläger ergangenen Bewilligungsbescheids beantworten. Ein allgemeines Interesse ist hier nicht ersichtlich.

 

Die Frage 3 ist bereits nicht entscheidungserheblich, weil die vom Kläger zitierte Mitteilung des StWMi vom 27. Februar 2021 jedenfalls keine Bindungswirkung dahingehend entfalten kann, dass die Soforthilfe in jedem Fall behalten werden darf. Die zitierten Äußerungen können nach der Rechtslage einen Bescheid weder aufheben noch verändern. Maßgeblich für den Empfänger der Soforthilfe bleibt der empfangene Bewilligungsbescheid.

 

Mit der Frage 4 formuliert der Kläger eine Rechtsfrage, die sich im konkreten Fall stellt, nämlich ob Art. 48 oder Art. 49 BayVwVfG anzuwenden ist, in eine abstrakte Rechtsfrage um. Eine grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit ergibt sich daraus jedoch nicht, weil die Beantwortung dieser Frage nur für den vorliegenden Rechtstreit Bedeutung hätte.

 

Hinsichtlich Frage 5 besteht keine Klärungsbedürftigkeit. Die bundeseinheitlichen Vorgaben betreffen den Umgang mit Bundesmitteln. Es steht den Ländern frei, Kosten aus Landesmitteln zu tragen, die der Bund als nicht berücksichtigungsfähig ansieht. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung in anderen Ländern entsteht dadurch nicht, denn die Reichweite des grundgesetzlichen Gleichbehandlungsgebots (Art. 3 Abs. 1 GG) ist beschränkt auf den jeweiligen Kompetenz- und Zuständigkeitsbereich des handelnden Hoheitsträgers (s.o. 1.3).

 

[BayVGH zur Rechtsfolge des Beschlusses]

 

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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BayVGH: Corona-Soforthilfe (21 ZB 24.514)
Ablehnender Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur Corona-Soforthilfe vom 27.03.2025 (Aktenzeichen: 21 ZB 24.514)
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Stellungnahme der Kanzlei Stenz & Rogoz:

 

Die Entscheidung wurde erst am 04.04.2025 veröffentlicht und wird derzeit von uns ausgewertet. Eine ausführliche Stellungnahme hierzu können Sie an dieser Stelle in den nächsten Tagen nachlesen.